Album der Woche

Grundsätzlich hat sich am Konzept des Baslers Manuel Gagneux, der sein Ein-Mann-Projekt Zeal & Ardor mittlerweile zur kompletten Band ausgebaut hat, auf seinem zweiten Album «Stranger Fruit» nicht viel geändert: Raue, leidenschaftliche Gospels und sich wie in schwüler Hitze dahinschleppender hypnotischer Blues treffen auf Blastbeats und Kreischgesang. Entstanden ist dieser seinerzeit tatsächlich neue Crossover 2014 als schräge Kopfgeburt auf 4Chan, als Gagneux in die Runde fragte, aus welchen Musikgenres er denn mal auf die Schnelle einen Song schreiben solle. Die Antwort: «Black Metal» und «Nigger Music». Von dem für 4Chan typisch faschistoiden-Umgangston liess er sich nicht irritieren, sondern wagte das Experiment – und Monate später gingen seine auf Bandcamp veröffentlichten Songs viral. Auch «Stranger Fruit» verfolgt weiterhin Gagneux’ Gedankenexperiment, «Was wäre, wenn sich die afrikanischen Sklaven in den USA gegen ihre Zwangschristianisierung ebenso gewehrt hätten wie die norwegische Metal-Jugend der 1980er gegen den Protestantismus der Elterngeneration?», und faucht dem Hörer finstere Klischee-Zeilen wie «Blut für den neuen Gott» oder «You are bound to die alone» entgegen. Musikalisch funktioniert der bizarre Stilmix aber noch besser als auf dem hervorragenden 2017er-Debüt «Devil Is Fine». Das liegt nicht nur am besseren, volleren Sound, auch wenn Gagneux’ Gospel-Vocals immer noch so schön blechern klingen wie die Field Recordings, aus denen Moby sein «Play» zusammensampelte. Der Überraschungseffekt des Debüts ist zwar weg, dafür klingen diese meisterhaft geschriebenen satanischen Gospels zwischen schweren Grooves und hyperschnellen Knüppel-Parts noch stimmiger und kohärenter. Zeal & Ardor haben bewiesen, dass ihr musikalisches Konzept mehr als ein freakig-faszinierendes Album trägt. Oh Lord, yeah!
(Quelle: intro.de)

 

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Video zur Single «Gravedigger’s Chant»