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«Rücksicht»-Kampagne der Stadt St. Gallen stösst auf Gegenliebe

Seit einigen Tagen macht eine Kampagne die Velofahrer in den Begegnungszonen von St. Gallen auf mehr Rücksichtnahme gegenüber den Fussgängern aufmerksam. Ralph Bleuer, der Präsident von Pro City St. Gallen und Doris Königer, Co-Präsidentin vom Verkehrsclub Sektion St. Gallen/Appenzell begrüssen diese Kampagne. Bezüglich weiterer Ideen für Massnahmen in den Begegnungszonen sind sie sich jedoch uneinig.

“Rücksicht”-Kampagne St. Gallen, Bildquelle: “Rücksicht”-Kampagne//zVg Stadt St. Gallen

«Wir begrüssen die “Rücksicht”-Kampagne der Stadt St. Gallen natürlich sehr, da das Problem der Velo-Rüpel in der Altstadt eine Tatsache ist», meint Ralph Bleuer, Präsident von Pro City St. Gallen. Man sei sich zwar bewusst, dass die Velofahrer die Begegnungszonen passieren dürften. Ralph Bleuer fügt aber an, in einer Zone, wo Fussgänger und Velofahrer direkt aufeinandertreffen, dürfe er rücksichtsvolles Velofahren erwarten. Dies würden jedoch nicht alle Velofahrer gleich umsichtig umsetzen. Daher sei Pro City St. Gallen froh, dass durch diese Kampagne die Velofahrer auf das Thema Rücksichtnahme gegenüber dem schwächeren Verkehrsteilnehmer sensibilisiert werden. Doris Königer, Co-Präsidentin des Verkehrsclubs Sektion St. Gallen/Appenzell ist derselben Ansicht und unterstützt diese Kampagne. Dem Verkehrsclub geht es vorwiegend darum, dass die verschiedenen Verkehrsteilnehmer den öffentlichen Raum gemeinsam nutzen, dabei aber aufeinander Rücksicht nehmen. «Es geht hier um die Koexistenz von Fussgängern, Velo- und Autofahrern auf engem Raum. Das ist eines der Hauptanliegen des Verkehrsclubs.»

Bildquelle: commons.wikimedia.org//albinfo

Der Nutzen dieser Kampagne ist fraglich

«Oft ist es so, dass eher die Velofahrer, welche sich sowieso schon an die Regeln halten, eine solche Kampagne wahrnehmen. Wie weit auch die anderen Velofahrer auf diese Kampagne ansprechen, sei fraglich», sagt Ralph Beurer. Trotzdem glaubt er an den Spruch: Nützt es nichts, schadet es nichts. Zudem gäbe die Stadt St. Gallen der Bevölkerung durch diese Kampagne ein Zeichen, glaubt Ralph Beurer von der Pro City St. Gallen. Sie zeige damit, dass sie die Problematik in der Altstadt zwischen den Velofahrern und Fussgängern wahrgenommen habe und entsprechend auch etwas unternehmen möchte. Doris Königer ergänzt überzeugt: «In der heutigen Zeit kennen diese ausgewiesenen Begegnungszonen einfach noch zu wenig St. Galler. Die Kampagne soll deshalb auf diese Zonen aufmerksam machen und zugleich auf gegenseitige Rücksichtnahme in diesen Zonen hinweisen.» Wie gross der effektive Nutzen dieser Kampagne konkret ist, kann auch Doris Königer nicht sagen.

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In den Begegnugszonen haben Velo-Rüpel keinen Platz

Für Ralph Beuer ist diese «Rücksichtnahme»-Kampagne ein guter Anfang. Er kann sich jedoch weitere tiefergehende Massnahmen vorstellen als nur diese eine Kampagne. «Provokativ könnte man sagen, dass in den Begegnungszonen zwar das Velo mitgeführt werden darf, dieses jedoch nur gestossen und nicht mehr gefahren werden darf», meint er. Noch besser wäre seiner Ansicht nach ein Fahrverbot für Velofahrer. Gerade dort, wo es die meisten Fussgänger habe wie beispielsweise in der Spiser- oder Multergasse, könnte ein allgemeines Fahrverbot viel bewirken. Ralph Beuer würde dieses Fahrverbot gerade auf alle zweirädrigen Gefährte ausweiten wie beispielswiese auf Skateboards und alle elektrischen Trottinetts. Ihm geht es dabei um den Schutz des schwächsten Verkehrsteilnehmers, nämlich um den Fussgänger. Der Präsident von Pro City erklärt: «In der Begegnungszone hat der Fussgänger Priorität. Wenn ein Kunde aus einem der Innenstadtläden kommt, will er nicht von einem zu schnell durch die Gassen kurvenden Velo- oder Trottinettfahrer umgefahren werden.» Daher sei er nie wirklich glücklich gewesen über den Umstand, dass die Velofahrer in der Begegnungszone ebenso Platz beanspruchen dürften. Gerade an einem Samstag sei es schon als Fussgänger eng in den Gassen. Da brauche es nicht auch noch Velofahrer und mit Bestimmtheit keine Velo-Rüpel, fügt Ralph Beuer an.

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Begegnungszonen sind nun mal für Begegnungen da

Ein Fahrverbot für Velofahrer sei nicht das Ziel einer Begegnungszone, sagt Doris Königer vom Verkehrsclub Sektion St. Gallen/Appenzell. Sie spricht sich deshalb klar gegen die Idee des Fahrverbotes aus: «Wir wollen ja, dass die St. Galler mit dem Velo ihre Einkäufe machen und deshalb ihr Auto zu Hause stehen lassen.» Ihr ist es ein Anliegen, dass die St. Galler mit dem Velo bis vor den Laden fahren können, um es da abzustellen. Sie ist sich sicher: «Die Sperrung von Strassen und Gassen für Velofahrer ist schlichtweg nicht möglich und wäre zudem kontraproduktiv». Eine weitere Möglichkeit, der Problematik von Fussgängern und Velofahrern entgegenzuwirken, wäre die Erstellung von mehr Velowegen. Doris Königer stimmt dem zu. Jedoch gerade in den Begegnungszonen in der Altstadt sei die Erstellung eines Veloweges schwierig. «In der Multergasse ist es aus Platzgründen nicht möglich, einfach einen Streifen nur für die Velofahrer auszuweisen», erklärt die Co-Präsident des Verkehrsclubs. Daher muss es in ihren Augen zwingend ein Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer in den Begegnungszonen geben. Doris Königer fügt abschliessend an, dass die Fussgänger gewissermassen selbst das Problem für sich regeln würden. Denn bei hohem Fussgängeraufkommen in der Altstadt wie das am Wochenende öfters vorkomme, fahre kein Velo zu schnell durch die Gasse. Doris Königer ergänzt, dass dann die Velofahrer die Altstadt eher vermeiden, deshalb diese nicht befahren, sondern lieber umfahren würden.

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Welche Regeln gelten überhaupt in den Begegnungszonen in der Altstadt von St. Gallen?

  • Mit dem Velo sollen diese Zonen nur im Schritttempo befahren werden.
  • Der Velofahrer macht früh genug auf sich aufmerksam und fährt nicht zu nahe an den Fussgängern vorbei.
  • Begegnungszonen mit hohem Fussgängeraufkommen sollen während der Rushhour mit dem Velo nach Möglichkeit umfahren werden.
Nicola Knüsel, 12.04.2021