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Pflanzenkönigin mit grossem Herz

Helles, leicht violettes LED-Licht taucht die Wohnstube in einem alten Bauernhaus in Waldkirch/SG in eine geheimnisvolle Atmosphäre. Im ganzen Raum verteilt stehen über 350 Zimmerpflanzen. Königin über diese vielen Pflanzen im Wert eines Kleinwagens ist die KV-Angestellte Sue Klominkova. Warum sie trotz des beachtlichen Werts der Pflanzen ruhig schlafen kann und weshalb in der ganzen Wohnstube keine einzige Blüte zu finden ist, erklärt mir die 36-Jährige inmitten ihres Dschungels.

«Tatsächlich gibt es in meiner Stube auch mal eine Blüte. Doch diese schneide ich dann jedoch sofort ab», erzählt mir Sue Klominkova während ich mitten in ihrer nicht alltäglichen Wohnstube stehe. Fasziniert von all dem Grün lasse ich meinen Blick über die 350 Zimmerpflanzen schweifen, um vielleicht doch noch irgendwo im Pflanzendschungel eine Blüte zu erhaschen. Sue Klominkova, welche mich mit ihren langen braunen Haaren und ihrer zierlichen Figur an Jane aus dem Walt Disney Film «Tarzan» erinnert, erklärt mir den Grund für das radikale Abschneiden der Blüten: «Mir sind die Blätter wichtiger. Blüten schwächen eine Pflanze, da sich die Pflanze auf das Wachstum der Blüte konzentriert. Dadurch leiden die Blätter und können mitunter gar absterben.» Die Blüten würden ihr nicht fehlen, meint die Frau mit dem grünen Daumen. Zudem seien die Blätter ja nicht einfach nur grün. Es gäbe alle erdenklichen Farbtöne von grün über pink bis türkis sowie gestreifte, weiss gefleckte oder gepunktete Blätter. Daher brauche sie nicht auch noch farbige Blüten in ihrem Wohnzimmer im über 300-jährigen Bauernhaus.

Technik verhilft zu ruhigem Schlaf 

Bildquelle: toxic.fm/Nicola Knüsel

Die über 350 Zimmerpflanzen haben inzwischen den Wert eines Kleinwagens erreicht. «Tatsächlich habe ich etwas Angst vor Dieben. Ich bin jedoch froh, haben wir Kameras in der Wohnstube und draussen installiert, welche ich übers Internet jederzeit abrufen kann», erklärt mir die Pflanzenliebhaberin. Zudem wohnen mit Sue Klominkova und ihrem Freund auch noch drei Hunde und eine Katze im alten Bauernhaus. Die Hunde sind gute Wächter und schützen vor ungebetenen Gästen. Zu guter Letzt könnte Sue Klominkova selbst ihre Pflänzchen gut verteidigen. «Ich habe über 10 Jahre Thaiboxen gemacht, später dann Krafttraining und Bodybuilding”, berichtet sie stolz.

Die Sammelleidenschaft hat sie in den Genen

Monstera deliciosa, Bildquelle: toxic.fm/Nicola Knüsel

«Mein Onkel sammelt Zimmerpflanzen, so auch meine Mutter und meine Grossmutter. Eigentlich war es klar, dass diese «Sucht» auch irgendeinmal auf mich überschwappen würde», sagt Sue Klominkova lachend. Entdeckt hat sie ihre Leidenschaft fürs Sammeln von Zimmerpflanzen vor fünf Jahren nach dem Einzug bei ihrem Freund. Im Wohnzimmer hat sie in einer Ecke eine serbelnde Pflanze gesehen, welche nur aus eineinhalb Meter Stamm und zwei komischen Blättchen bestand. Ihr Freund wässerte die vermeintliche Wasserpflanze grosszügig. Wegen des ausbleibenden Erfolges hielt er sie schliesslich für eine Wüstenpflanze und überliess sie ihrem Schicksal. «Dank einer Reportage über den Amazonas habe ich diese Pflanze als Monstera deliciosa erkannt. Ich habe mich im Internet über sie informiert und sie danach wieder aufgepäppelt», erzählt mir Sue Klominkova stolz. Sie ergänzt mit einem Lachen im Gesicht: «Meine Freude war riesig, dass ich es geschafft habe, die Monstera zu retten, hatte ich bis da nämlich absolut keinen grünen Daumen. Mir ist sogar ein Kaktus verreckt.»

Der richtige Ton macht es aus

Eine alte Gärtnerweisheit besagt, dass man mit seinen Pflanzen sprechen soll, damit sie besser wachsen. Mit zwei, drei Pflanzen regelmässig zu schwatzen, ist gut machbar. Doch wie ist das mit über 350 Pflanzen, wenn man jeder etwas mündliche Zuwendung schenken möchte? Sue Klominkova muss herzhaft lachen und meint: «Tatsächlich habe ich am Anfang mit meinen Pflanzen gesprochen. In der Zwischenzeit habe ich damit aufgehört». Sie habe jedoch einen anderen Weg gefunden, die Pflanzen bei Laune zu halten, erzählt Sue Klominkova. Meditationsmusik tue den Pflanzen gut, besonders solche mit Geräuschen aus dem Amazonas mit pfeifenden Vögeln und einem plätschernden Wasserfall.

Auf das Wissen kommt es an

Bildquelle: toxic.fm/Nicola Knüsel

Gut 600 Franken pro Monat gibt Sue Klominkova für ihr Sammelleidenschaft aus. Immer mal wieder kommt eine neue Pflanze dazu, obwohl der Platz langsam begrenzt ist. Sue Klominkova macht sich viele Gedanken über die Pflege ihrer Pflanzen. Ihr Wissen holt sie sich aus dem Internet oder über ihre Pflanzen-Community aus Instagram. Sie sagt entschieden: «Ich will wissen, wie die Pflanze heisst und was sie zum Wachsen braucht. Ich lese und lerne das, weil es mich interessiert.» Nebst der Beschallung mit Musik investiert die engagierte, junge Frau viel Zeit in die Pflege der Pflanzen, wöchentlich mindestens vier Stunden. Besonders das Giessen sei sehr zeitinstensiv, berichtet Sue Klominkova. Doch der Aufwand lohne sich und das Gedeihen der Pflanzen bereite ihr viel Freude.

Ein Kaktus geht auf Reisen

Der Kaktus, der auf Reisen geht. Bildquelle: toxic.fm/Nicola Knüsel

Dass Sue Klominkova ein grosses Herz für Pflanzen hat, ist unbestritten. Ihre Liebe geht jedoch noch weiter. In einer Ecke im Wohnzimmer befindet sich nämlich ein altes Terrarium mit vernachlässigten und nicht mehr gewollten Kakteen. Doch das ist noch nicht alles… «Ich habe vor längerer Zeit einen Kaktus aus meinem Büro gerettet, welcher im Abfall landete. Dieses arme Geschöpf hat sich bei mir zu Hause sehr gut erholt und sogar Babys spriessen lassen. Um diesem Kaktus etwas Gutes zurückzugeben, haben mein Freund und ich uns entschieden, ihn mit nach Tschechien in die Ferien zu nehmen.» Ihre Eltern stammen aus Tschechien und haben dort ein Häuschen im Böhmerwald.

Nicola Knüsel, 19.02.2021