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Historischer Raddampfer verlässt Romanshorn

Seit über 100 Jahren vereint die Hohentwiel Vergangenheit, Zukunft und drei Länder. Während rund 5 Wochen wurde der einzige Schaufelraddampfer auf dem Bodensee in der grössten Werft in Romanshorn revidiert. Nach der erfolgreichen Revision wird das historische Schiff nun gewassert und zurück in den Heimathafen in Hard gezogen. 

An einem wunderschönen Wintermorgen, bei frostigen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein, zieht die Werft in Romanshorn ihr riesiges Rolltor auf. Dahinter verbirgt sich die Hohentwiel, ein prachtvoller Raddampfer aus dem Jahre 1913. Beim Betreten der Werft steigt unmittelbar der Geruch von frisch gestrichener Farbe in die Nase. Insgesamt drei Tonnen Farbe wurde verwendet, um das historische Dampfschiff wieder in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Der Schiffsrumpf, der Schornstein und die Schaufelräder wurden abgeschliffen und neu lackiert. Die Wappen samt Schriftzügen wurden abgenommen, optisch aufbereitet und gebürstet. Anschliessend wurden sie wieder auf dem frisch gestrichenen purpurroten Hintergrund montiert. Diese Farbe war früher exklusiv dem Königshaus vorbehalten.

Die Hohentwiel ist auf einem Schlitten von Stahlträgern befestigt und wird von zwei grossen, mehreren Zentimeter dicken Stahlseilen gehalten. Bildquelle: toxic.fm

Langsam setzen sich die Seile in Bewegung und mit jedem Meter wird der Gigant mit seiner Gesamtlänge von knapp 57 Metern wieder zurück ins Wasser geführt. Bildquelle: toxic.fm

Kapitän nach 30 Jahren Wartezeit

Begleitet wird die Wasserung von mehreren Dutzend Medienschaffenden und begeisterten Zuschauern. Für den Oberkapitän Robert Kössler ist es eine Ehre, die Hohentwiel zu steuern, zu warten und zu pflegen. «Es ist kein Job, sondern eine Berufung.» Ohne eine besondere Bindung zum Schiff, könne man dieses Amt nicht ausüben. Angeheuert hat er schon im Jahr 1991. Erst als Ende Februar 2021 der Rücktritt vom langjährigen Kapitän Adolf Konstatzky bekannt gegeben wurde, stieg Kössler nach rund 30 Jahren in der Warteschlaufe zum Oberkapitän auf. Als Geschenk zum Amtsantritt wird ihm während der Medienkonferenz auf der MS Säntis eine auf 100 Auflagen limitierte “Special Edition”-Uhr sowie ein Champagner überreicht.

Oberkapitän Robert Kössler. Bildquelle: toxic.fm

Revision erfolgreich abgeschlossen

Das Procedere, in das sowohl der Romanshorner Werftbetrieb als auch die nautische Mannschaft der Hohentwiel involviert war, verlief reibungslos. Drei Tonnen Quagga-Muscheln mussten entfernt werden, bevor es mit den Revisionsarbeiten losgehen konnte. Der Eigner der Hohentwiel, der Verein «Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum», hat sich die Revision mehr als 150’000 Euro kosten lassen. Die Summe wird aus Rücklagen finanziert. Die 950 PS starke Hohentwiel wird aufgrund der aktuellen Covid-19 Bestimmungen nicht aus eigener Kraft in den Heimathafen nach Hard zurückkehren. Eine einmalige Inbetriebnahme der Dampfmaschine wäre wirtschaftlich nicht rentabel, denn der Kessel muss die ganze Saison über ständig unter Dampf gehalten werden. Deshalb wird die Hohentwiel vom Motorschiff Oesterreich zurück nach Hard gebracht. Bereits bei der Hinfahrt wurde der Schaufelraddampfer seitlich an die Oesterreich vertäut und «abgeschleppt».

Von der Dachmarke zur GmbH

Seit 2019 wurden die Hohentwiel und die Oesterreich unter dem Dach der Hohentwiel-Schifffahrt (HSG) betrieben. Nun wird eine neue gemeinsame Betriebsgesellschaft entstehen, mit Einbeziehung der Gastronomie. In Zukunft können also Synergien genutzt werden, u. A. beim gemeinsamen Auftritt, der Nautik, Buchhaltung und beim Marketing. Laut Benno Gmür, Geschäftsführer der Historischen Schifffahrt Bodensee (HSB) habe das alte Konstrukt zusammen mit Corona beinahe für den Kollaps gesorgt. Bereits bei der letzten Revision war der Raddampfer in Romanshorn zu Gast. Da sich nun auch die Schweizerische Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft (SBS) an der HSB beteiligt, steigen die Chancen, dass die Hohentwiel öfter an einem Schweizer Hafen anlegt – und zwar nicht erst wieder bei der nächsten Revision.

Tobias Engeler, 06.04.2021