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Frauen der Schweizer Geschichte

50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz. Doch auch bevor Frauen das Recht zu Wählen hatten, sassen sie nicht auf ihrem Mund. Wir stellen euch neun der bedeutendsten Frauen der Schweizer Geschichte vor.

Wiborada (†926)

Die Geschichte von Wiborada endete am 1. Mai im Jahr 926 in St.Gallen. Getötet wurde sie während eines Ungarneinfalls. Das sind kriegerische Ausseinandersetzungen zwischen dem jetzigen Ungarn und deren Nachbarländern. Doch vor ihrem heldenhaften Tod lebte sie ein Leben als Inklusin. Das heisst, sie liess sich einmauern. Der Raum hatte keine Tür nur zwei Fenster. Eines zur Kirche hinein und eines in die Welt hinaus. Sie lebte spirituell und alleine, um so Vollkommenheit zu erreichen. 121 Jahre später wurde Wiborda als erste Frau von einem Papst heiliggesprochen. Auf der ältesten Darstellung von ihr, wird Wiborda mit einem Buch in der Hand gezeigt. Deshalb gilt sie als Schutzpatronin der Bibliotheken und Bücherfreunden. Das Bistum St.Gallen hat am 2. Mai eine Eigenfeier als Gedenktag eingeführt. In diesem Jahr baut eine Gruppe von Leuten eine Zelle, an derselben Stelle, an der Wiborada im 10. Jahrhundert lebte. Nun sucht diese Gruppe Personen, welche bereit sind, sich eine Woche lang einsperren zu lassen und diesen Lebensstil nachzuleben.

Quelle: wikimedia.org

 

Gertrud Kurz (1890-1972)

Von St.Gallen gehen wir direkt nach Appenzell Ausserrhoden, einfach 1’000 Jahre später. Bekannt ist die 1890 geborene Gertrud Kurz auch als Flüchtlingsmutter. Sie wurde sogar vom Bundesrat für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, weil sie während dem Zweiten Weltkrieg trotz der strikten schweizerischen Flüchtlingspolitik mit Flüchtlingen gearbeitet hat. Nachdem der Bundesrat im Jahr 1942 die Grenzen schloss, so dass keine jüdischen Flüchtlinge mehr kommen konnten, suchte Gertrud Kurz das Gespräch mit dem damaligen Bundesrat. Mit dieser menschlichen und emotionalen Art schaffte sie es, sich für die Flüchtlinge zu engagieren. Am 26. Juni 1972 verstarb sie im Alter von 82 Jahren. Die Stiftung existiert noch und hat eine Aktion gestartet. «Bisch ou Bürzi?», das ist die Frage. Ein «Bürzi» ist ein Haardutt. Indem man der Stiftung ein Foto seines Dutts sendet, setzt man ein Zeichen für eine offene und solidarische Schweiz.

Else Züblin-Spiller (1881-1948)

Von der Flüchtlingsmutter gehen wir zur Soldatenmutter. Diese kam in einem Jahr zur Welt, als Winterthur noch Seen hiess. Else Spiller war eine Schweizer Journalistin und die erste Redaktorin einer politischen Zeitung, der schweizerischen Volkszeitung. Dann bereiste Else Züblin-Spiller verschiedene Grossstädte in Europa und berichtete von den Slums. Drei Jahre nach der journalistischen Arbeit gründete Else Züblin-Spiller den Schweizer Verband Soldatenwohl, da damals der Alkoholkonsum von Soldaten enorm hoch war. Dank dieser Organisation wurden Soldaten mit günstigem aber trotzdem gesundem Essen versorgt, um sie dadurch vom Alkoholkonsum wegzubringen. Dann gründete Else Züblin-Spiller die Soldatenstuben. In diesen konnten die Soldaten ihre Freizeit verbringen, aber alles ohne Alkohol. Später führte sie diese alkoholfreien Kantinen auch in Fabriken ein. Die SV Stiftung gibt es auch heute noch und möchte so die Gründungsidee bewahren.

Annemarie Schwarzenbach (1908-1942)

Ebenfalls Journalistin aber auch Schriftstellerin war diese Dame, welche aus einer reichen Zürcher Industriefamilie stammte. Annemarie Schwarzenbach war die Tochter des weltweit grössten Seidenfabrikanten. Obwohl sie lesbisch war, heiratete sie einen Mann, der ebenfalls Homosexuell war. Vier Jahre später war sie längere Zeit in Kliniken für einen Drogenentzug. Im Entzug schrieb sie ein Buch und reiste zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Afghanistan. Dann verliess sie ihren Mann und reiste nach New York. Dort verliebte sie sich Hals über Kopf in die  Schriftstellerin Carson Mc Cullers. Trotzdem musste Annemarie Schwarzenbach wegen Drogensucht, schwerer Depressionen und Suizidversuchen in den USA in psychiatrische Behandlung. Sie hatte einen extremen Anspruch an ihr Leben: «Ich bin nicht genügsam, will jeden Tag das Einzige und Letzte.» Sie reiste über Marokko zurück in die Schweiz. Im Engadin stürzte sie mit dem Fahrrad und verletzte sich schwer. Aufgrund einer Fehldiagnose und Fehlbehandlungen verstarb sie am 15. November 1942. Insgesamt hat sie während ihrer ganzen Reisen 28 verschiedene Schriften verfasst. Erst in den 80er-Jahren wurden ihre Arbeiten wiederentdeckt. Nach diesem Fund wurde sie zur Kultautorin.

Quelle: wikimedia.org

 

Emilie Kempin-Spyri (1853-1901)

Sie war die erste Schweizerin, welche an der Universität Zürich Jura studierte. Als sie nach dem Studium als Dozentin an der Uni Zürich abgewiesen worden war und in der Schweiz nicht als Anwältin arbeiten durfte, wanderte sie nach New York aus. Dort gründete sie ihre eigene Rechtsschule für Frauen namens Women Law College. Da ihr Mann Heimweh hatte, zogen sie zurück in die Schweiz. Sie kämpfte immer wieder für die Zulassung als Anwältin. Dazu kam die Scheidung von ihrem Mann. Emilie Kempin-Spyri zerbrach daran und wurde als Geisteskrank bezeichnet. Sie wurde in diverse Irrenanstalten gebracht. Die Diagnose ist bis heute umstritten. Im Alter von 48 Jahren starb sie im Jahr 1901 verarmt an Gebärmutterhalskrebs in Basel. Durch den Kampf, welchen Emilie Kempin-Spyri führte, wurde im Jahr 1898 im Kanton Zürich das Anwaltsgesetz angepasst. Frauen durften praktizieren obwohl das Frauenstimmrecht zu jener Zeit noch nicht in Kraft war.

Quelle: wikimedia.org

 

Johanna Spyri (1827-1901)

Johanna Spyri war die Tante von der vorhin erwähnten Juristin, Emilie Kempin-Spyri. Vielleicht sagt uns ihr Name nichts. Aber das, was sie geschaffen hat, verbindet jeder von uns mit Kindheit. Die gebürtige Johanna Louise Heusser war eine Schweizer Kinder- und Jugendbuchautorin. Sie hat die Romanfigur Heidi ins Leben gerufen. «Heidi» wurde in mehr als 50 Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt. Im Jahr 1901 verstarb Johanna Spyri an Krebs. Behandelt hat sie die erste Schweizer Ärztin, Marie Heim-Vögtlin. Der ganze Nachlass der Autorin wird von der Zürcher Zentralbibliothek verwaltet.

Quelle: wikimedia.org

 

Marie Heim-Vögtlin (1845-1916)

Wie bereits erwähnt war Marie Heim-Vögtlin die erste Schweizer Ärztin. Dadurch war sie auch die erste Frau, welche an der Universität Medizin studierte. Ebenfalls hat sie bei der Gründung des ersten Schweizer Frauenspitals in Zürich mitgewirkt. Der Berufswunsch Ärztin zu werden, war im Jahr 1868 ausgefallen und sorgte schweizweit für Aufsehen. Früher wurde der Arztberuf als zu anstrengend für Frauen bezeichnet. Die Universität in Zürich war europaweit die erste Uni, welche Frauen Medizin studieren liess. Daher kamen ganz wenige Frauen aus dem Ausland nach Zürich, um zu studieren. Nach dem absolvierten Studium wollte Marie Heim-Vögtlin eine eigene Praxis in Zürich eröffnen. Die Behörden wollten dies nicht zulassen. Erst mit der Unterstützung von ihrem Vater, kam sie ihrem Ziel näher. Im Jahr 1874 eröffnete sie dann die erste Praxis für Frauenheilkunde in der Schweiz. Neben der Tätigkeit als Ärztin setzte sich Marie Heim-Vögtlin für das Frauenstimmrecht ein. Als dies kam, war Marie Heim-Vögtlin aber schon seit 55 Jahren tot. Mit Sicherheit wäre sie aber stolz auf diesen Entscheid der Schweizer Politik.

Elisabeth von Wetzikon (1235-1298)

Im Jahr 1235 als Elisabeth von Wetzikon zur Welt kam, war von Frauenstimmrecht weit und breit keine Spur. Trotzdem schaffte sie sich eine ansehende Position in der Zürcher Geschichte. Mit 30 Jahren ging sie als Nonne ins Zürcher Fraumünster. Nonnen waren die starken Frauen im Mittelalter. Im Jahr 1270 wurde Elisabeth von Wetzikon zur Äbtissin gewählt. Mit dieser Wahl wurde sie zur mächtigsten Frau der Schweiz in jener Zeit. In ihrem Aufgabengebiet standen das Verpachten von Zöllen, die Wahl des Bürgermeisters und dessen Stellvertreter und sie war die oberste Richterin der Stadt. Elisabeth von Wetzikon hatte durchwegs politischen Einfluss und das auch ausserhalb Zürichs. Sie hat auch den Landmann von Uri im Jahr 1291, als die Schweiz gegründet wurde, gewählt. Sieben Jahre nach der Gründung der heutigen Schweiz verstarb die Äbtissin im Alter von 63 Jahren.

Iris von Roten (1917-1990)

Wir machen nochmals einen Zeitsprung. Im Jahr 1917 kam Iris von Roten in Basel zur Welt. Auch sie war eine Juristin und führte mit ihrem Mann eine eigene Anwaltskanzlei. Nachdem sie regelmässig für die Sekretärin gehalten wurde, wurde sie zur Feministin. Sie fing an zu Schreiben und liess im Jahr 1958 ihr eigenes Buch «Frauen im Laufgitter» veröffentlichen. Das war ein halbes Jahr vor der ersten Abstimmung über das Frauenstimmrecht. Dadurch gehörte sie zu den meist kritisierten Personen der Schweiz. Mit diesem Buch wurde ihr vorgeworfen die Abstimmung negativ beeinflusst zu haben. Die Kritik ging Iris von Roten nah und sie machte sich auf eine halbjährige Reise in die Türkei. Sie schrieb ein Buch, doch jeder Verlag lehnte es ab. Sie begab sich auf eine weitere Reise nach Brasilien und Sri Lanka. Danach schrieb sie erneut ein Buch und malte auch Bilder. Iris von Roten wurde krank und plante einen Suizid. In ihrem letzten Interview sagte sie: «Wie ein Gast wissen muss, wann es Zeit ist zu gehen, so sollte man sich auch rechtzeitig vom Tisch des Lebens erheben.» Danach nahm sie sich am 11. September 1990 das Leben.

Bestimmt gibt es noch viel mehr einflussreiche, prägende und bewundernde Schweizer Frauen. Auf die nächsten 50 Jahren Frauenstimmrecht und engagierten Frauen.

03.02.2021, Désirée Gächter