News

Die heilige Big Brother Version von St.Gallen

Jesus is watching you. Wie bei der bekannten Fernsehshow Big Brother lassen sich Menschen beim Projekt “Wiborada21” freiwillig einsperren. Statt den Kameralinsen darf aber nur Gott, ein Auge auf die Teilnehmer*innen werfen. Für die heilige Kulisse in der St. Mangen Kirche musste dafür ein Stück der Kirchenmauer aus dem Weg geräumt werden.

Ein Leben hinter Gittern. Vor über 1’000 Jahren liess sich Wiborada freiwillig in einer Zelle, angrenzend an die St. Mangen Kirche, einmauern. Für 10 Jahre lebte die später heiliggesprochene Frau im selbst ausgesuchten Verlies. Wiborada gehört zu den bekanntesten Inklusen, also Menschen, die sich aus religiöser Motivation einschliessen lassen. Heute würden wir sie wahrscheinlich als spirituelle Influencerin bezeichnen. Inspiriert von ihrem heiligen Vorbild, lassen sich 10 Personen in einer nachgebauten Wiborada-Zelle einsperren. Für das Projekt “Wiborada21” schlagen die Verantwortlichen der Katholischen Kirche wortwörtlich die Kirchenmauern ein.
“Kein Geld wie bei Big Brother, dafür Selbstverwirklichung.” Hildegard Aepli, ist Initiantin und selbst Inklusin des Wiborada-Projekts. Sie ist sich sicher, dass diese gesammelten Erfahrungen einen viel grösseren Wert haben, als nur einen höheren Kontostand wie bei den Gewinnern der Big Brother Show. “Durch das Eingesperrtsein ganz alleine, findet man zu sich selber und dieser Erfolg ist unbezahlbar.” Da kann Big Brother mit seinen Millionen einpacken.

Ein Stück Kirchenmauer weicht dem Wiborada-Fenster 

Die heilige St.Gallerin soll in Form des Wiborada-Fensters ihren Platz in der neu gebauten Zelle einnehmen dürfen. Dafür wurde am Freitag, 19. März, ein kleines Loch in die Kirchenmauer der St. Mangen Kirche gemeisselt. Später entsteht dort ein Fenster, das an Wiboradas Lebensweise erinnern soll, das Fenster zu Gott. Für die Teilnehmer*innen bedeutet das freie Sicht auf das prachtvolle Innere der St. Mangen Kirche.

Leben auf engstem Raum

Sobald das Wiborada-Fenster fertig gestellt ist, können die Bauarbeiten der neuen Zelle starten. Ein 12 Quadratmeter kleines Zimmer, eine Nische als Bett und ein Plumpsklo. Mehr Luxus wird es in der Holzzelle nicht geben. Ein Hotelservice rund um die Uhr, wie bei Big Brother, steht den Teilnehmern folglich auch nicht zur Verfügung. Aufs Essen müssen die Teilnehmenden zum Glück aber nicht verzichten. Verpflegt werden sie über ein zweites Fenster, also quasi einen magischen Kühlschrank. Zu festgelegten Zeiten dürfen sie die Fenster öffnen und Menschen aus St.Gallen stellen frischgekochte Speisen auf die Fensterbank.
Das Projekt startet am 23. April und endet am 3. Juli 2021. Ein heiliges Abenteuer kommt da auf die Teilnehmer*innen des Wiborada-Projektes zu. Statt der Fernsehkamera und dem Mikrofon teilen sie ihre Probleme nur mit einem Stift und einem Tagebuch. Ganz analog werden die gesammelten Tagebucheinträge in der Stiftsbibliothek St.Gallen ausgestellt.
Chiara Temmel, 19.03.2021